Die B2B2C-Plattform Mainaqila ist ein digitales Ökosystem, das Interaktionen über den Stadionbesuch hinaus ermöglicht.
Eintracht Frankfurt spielt mit. Und zwar in der 1. Digital-Liga. Während manch ein Retailer sich noch im Trainingslager befindet, hat der Verein mit der B2B2C-Plattform Mainaqila ein Ökosystem aufgebaut, das nicht nur neue Fans einbringt.
Eintracht Frankfurt hat ihr eigenes Sommermärchen. Der Traditionsverein hat sich in Sevilla den Traum vom ersten Europapokal-Triumph seit 42 Jahren erfüllt. Und hat seitdem nicht aufgehört, gut zu sein. Jetzt überwintern die Adler in der Bundesliga auf Platz vier und freuen sich auf das Achtelfinale der Champions League im Februar. Wenn das nicht eine La Ola-Welle wert ist.
„Wir wollen der innovativste und digitalste Fußballverein Deutschlands sein“, sagt Timm Jäger von Eintracht Frankfurt.
Timm Jäger macht keine Winterpause. Er ist einer der wichtigsten Spieler bei der Eintracht, obwohl er nie aufgestellt wurde. Er verantwortet als Geschäftsführer der Eintracht Tech alle digitalen Strategieprojekte des Vereins sowie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Zuvor war er als Berater für die Boston Consulting Group mit einem Schwerpunkt auf Strategie- & Marketing/Sales-Projekten tätig, bevor er in die Organisationsentwicklung der BMW Group in München wechselte. Seit 2017 beschäftigt sich der gebürtige Frankfurter mit der Digitalisierung von Eintracht Frankfurt.
Vereine ticken nicht anders als Unternehmen
Mehr Geld, mehr Top-Transfers, hallo Champions League. Hier schließt sich der Kreis. „Am Ende des Tages funktionieren Fußballvereine genauso wie Unternehmen. Wir müssen unsere Mitarbeiter bezahlen. Unsere Mitarbeiter sind das höchste Asset, was wir haben, nämlich unsere Spieler. Und die Spieler müssen finanziert werden. Da stehen wir in einem Wettbewerb mit ganz vielen Klubs, nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit, um die besten Spieler an uns binden zu können“, sagt Jäger. „Und dafür brauchen wir eben Geld.“ Zumal die SGE in Europa ganz frisch ganz oben mitspielt.
TV-Gelder werden in Deutschland zentral vermarktet. Sponsoring hat Grenzen. Genauso wie Ticketing, ins Stadion passen nun mal nur 51.500 Fans. „Dann haben wir in Deutschland die Situation, dass mehr und mehr Investoren-Clubs in die Liga kommen. Das heißt Leipzig, Hoffenheim, aber auch die Werksklubs wie Wolfsburg und Leverkusen verfügen natürlich über ganz andere Geldmittel, als wir das haben“, so der Eintracht Tech-Chef. „Wenn wir keine externen Investoren in unseren Klub reinholen wollen, dann müssen wir vielleicht ein bisschen innovativer sein als andere. Und das war – auch weil man digitale Geschäftsmodelle nicht als Hobby nebenbei machen kann – der Startpunkt für die neue Einheit Eintracht Tech.“
Plattform für Fußball und mehr
Im Fokus steht der Aufbau der B2B2C-Plattform Mainaqila, ein eigenes digitales Ökosystem, das Interaktionen über den Stadionbesuch hinaus ermöglicht. Die Ausgangslage ist gut. Eintracht Frankfurt ist ein lebendiger und emotionaler Bezugspunkt für Fans, aber auch für viele Menschen in der Rhein-Main-Region.
Und so bündelt die Plattform nicht nur alles, was Fußballbegeisterte interessiert: Ergebnisse, Spieler-News, Ticketverkauf, Merchandising, Fußballschule. Sondern ist viel mehr ein Marktplatz für sieben Millionen Menschen in der Region. Auf dem Partner integriert werden, die dem Nutzer einen Mehrwert bringen – der regionale ÖPNV, Stromversorger, Versicherer und Radiosender. Eben alles, was den gemeinen Hessen im Alltag interessiert. Partnern und Sponsoren der SGE stehen damit neue digitale und öffentlichkeitswirksame Geschäftsmodelle und Werbemöglichkeiten zur Verfügung. Über 400.000 aktive Nutzer hat die App nach eigenen Angaben, rasant wachsend.
Hohe Investitionen in Unabhängigkeit und Datenhoheit
Das System ist eine Eigenentwicklung. „Es muss nicht viel zur Bedeutung der Digitalisierung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von Eintracht Frankfurt gesagt werden. Das Wichtigste ist jedoch das ‚Wie‘ und die dahinterstehende Philosophie. Wir haben uns entschieden, alle relevanten digitalen Systeme selbst zu entwickeln, uns nahezu komplett von externen Systemen unabhängig zu machen und damit unserem Ansatz, aus eigener Kraft zu wachsen, treu zu bleiben“, sagt Vorstandssprecher Axel Hellmann. „Wir sehen uns hier auch als Garant für Datenschutz und Datensicherheit für alle Aktivitäten im Zusammenhang mit Eintracht Frankfurt. Wir arbeiten seit mehr als vier Jahren an diesem Ansatz.“
Die Entwicklung eigener Systeme koste zwar eine Menge Kraft, sichere aber die Unabhängigkeit und die Datenhoheit, betont Hellmann. „Das muss es uns wert sein.“ Der Verein hat dafür einen mit sachkundigen Fans und Mitgliedern besetzten Datenbeirat einberufen, der sensible Punkte wie Datennutzung, Datensicherheit und Datenschutz im Rahmen des geschäftlichen Auftrags der Eintracht Tech stetig überprüfen soll.
Zentraler Bestandteil der App ist ein digitales Bezahlsystem, eine digitale Debitcard, mit der die Fans etwa Tickets für Spiele kaufen, im Stadion Speisen, Getränke und Artikel im Fanshop bargeldlos bezahlen können. Das Besondere dabei ist die Tatsache, dass Mainpay auch außerhalb des Frankfurter Stadions genutzt werden kann – etwa bei Auswärtsspielen der Eintracht oder in Geschäften in der Rhein-Main-Region. Und: Um die Funktion nutzen zu können, brauchen die Anwender nicht einmal ein Konto beim Partner Deutsche Bank, sondern können die App mit ihrem Konto bei jeder anderen Bank verknüpfen.
Stadion wird zum Fun-Park
Eintracht Tech zeichnet zudem für die Digitalisierung des Deutsche Bank Park verantwortlich. Und zeigt auf bemerkenswerte Weise, warum es sinnvoll sein kann, 35 Mio. Euro ins eigene Stadion statt in einen Stürmer zu investieren. Als die Deutsche Bank die Namensrechte für den Fußball-Tempel von Eintracht Frankfurt vor über zwei Jahren gewann, legte Corona gerade ganz Deutschland lahm. Statt ein neues Konzept umzusetzen, hieß es, erst einmal Füße stillhalten. Mittlerweile wird aber sichtbar, wie der größte deutsche Finanzdienstleister sein Sponsoring aktiviert.
Gemeinsam mit dem Verein wandeln die Banker das Areal zu einem Fun-Park, der weit mehr als nur Fußballvergnügen bereitet. Von der großen Osterei-Suche und dem Winterwonderland Christmas Garden für die ganze Familie, der 70.000 Besucher lockte. Über Konzerte etwa von Elton John, Böhse Onkelz, Die Fantastischen Vier und Ed Sheeran. Über ein Kompetenzzentrum für die Forschung am Internet der Dinge, in dem gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Forschung Produkte in den Bereichen Smart Building, Facility Management, Energiemanagement, Logistik und Mobility für eine breite Anwendung im Markt entwickelt werden sollen. Zuletzt wurde autonomes Fahren auf dem Gelände erprobt.
Sogar eine Fachkonferenz für Digi-Nerds steht hier mittlerweile auf dem Programm. Im September kamen Digitalisierungs-Experten aus ganz Europa zur Konferenz „Block im Park. Tokenisierung in der Realwirtschaft“ nach Frankfurt, um über Blockchains zu diskutieren und die Relevanz für Anwendungsfälle in der Realwirtschaft zu verstehen. „Als der Bundesligaverein am Finanzplatz Frankfurt mit dem Digitalfokus der Eintracht Tech haben wir einen gewissen Anspruch, uns mit neuen Wachstums- und Zukunftstechnologien zu beschäftigen – insbesondere im Finanzdienstleistungsbereich. Dabei ist es immer das Ziel, den Menschen Nutzen, Wertschöpfung und Anwendungsmöglichkeit aus einer Expertenperspektive verständlich zu machen“, sagt Jäger.
Bundesliga auf der Blockchain
Selbst praktische Erfahrung mit der Blockchain-Technologie hat die Eintracht bereits gesammelt. Im März wurde die SGE erster offizieller Partner der Metaverse App The Football Club (TFC). Die Spieler des TFC-Fußballmanagerspiels stellen ihr Team aus Spielern der Ersten und Zweiten Bundesliga von Woche zu Woche auf und messen sich mit anderen Fans weltweit. Während der Spiele können die Nutzer in den virtuellen Stadien mit anderen Fans interagieren, Erfahrungen sammeln und bei verschiedenen Challenges mitmachen, um Coins zu sammeln und sich und ihren selbst gestalteten Avatar in der Tabelle nach oben zu bringen. Das Münchner Start-up erstellt auch NFT-Merchandise-Artikel für Eintracht Frankfurt, die für Fans auf dem TFC-Marktplatz erhältlich sind, um gesammelt und getauscht zu werden.
„Die digitale Welt hat unser Kommunikationsverhalten schon vor langer Zeit verändert. Dass wir heute virtuelle Sport- und Marktplätze, andere Kundenansprache und Kontaktchancen haben, spornt uns an, sehr früh und sehr genau unseren Fans innovative Angebote zu machen, die Spaß machen und nachhaltig sind. Analog und digital ergänzen sich bei der Eintracht hervorragend“, sagt Jäger. TFC-Gründer Ante Kristo fügt hinzu: „Wir haben unser Projekt mitten in der Corona-Pandemie ins Leben gerufen, weil wir überzeugt sind, dass neue digitale Interaktionsformate zwischen Sportfans und ihren Lieblingsmarken und -vereinen relevanter denn je sind und ein riesiges Wachstumspotenzial mitbringen.“
ESports-Akademie und Tech-Talentschmiede
Seit längerem ist der Verein bereits im ESports-Business aktiv. „ESports ist ein sehr, sehr wichtiges Geschäftsfeld für uns“, sagt Jäger. Dafür hat die SGE eine eigene Sportakademie gegründet. Mehr als 100 junge Mädels und Jungs werden für Fifa 23 und Leagues of Legends trainiert wie in klassischen Sportarten. Derweil bekam die analoge Fußballschule aus der Lockdown-Not eine digitale Übersetzung. Junge Fußballfans konnten sich als digitale Einlaufkinder bewerben und virtuell am Spieltag nahe an ihre Eintracht-Idole heranrücken.
Im Programm „Techtalents“ entwickeln etwas ältere Fußballfans Geschäftsideen und erproben ihr Wissen aus der Hochschule in der Praxis. So hat eine Gruppe von Studierenden die App SmartQ gebaut, die die voraussichtliche Wartezeit an den Pommes-Buden im Stadion anzeigt, indem sie die Distanz zwischen Mensch und Kasse berechnet. Dank eines Punktesystems und Rabattcodes können Fußballfans zudem Vergünstigungen bekommen. Das freut nicht nur die Kunden, sondern auch den Klub, denn dabei fallen Daten über das Konsumverhalten an. Die Idee wurde vom Verein mit 5000 Euro prämiert. Geld, was auch dank Eintracht Tech zur Verfügung steht. Jäger: „Wir sind mittlerweile profitabel.“
Die Oberalp-Gruppe und ihre Kunden von morgen
Weniger besitzen, mehr erleben
Die Oberalp-Gruppe macht Millionen-Umsätze, heute vor allem mit dem Verkauf von Produkten für den Berg. Noch. Der Aufbau eines nachhaltigen Geschäftsmodells für die Kunden von morgen ist ein langer Weg in vielen kleinen Etappen.