Im Februar 2022 veröffentlichte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker in der Sportzeitschrift „Kicker“ einen Gastbeitrag, in dem sie für die Anerkennung des E-Sports als offizielle Sportart warb. Der E-Sport sei Teil der realen Sportwelt mit erheblichem sozialen und wirtschaftlichen Potenzial, so der Tenor. Es gab viel Zustimmung – aber auch viel Kritik.

In einer repräsentativen Befragung des Verbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche im September 2020 gab ein Drittel der Befragten an, dass E-Sport für sie eine normale Sportart sei. Die Gegenseite verweist gerne auf die ablehnende Position des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), für den E-Sport nicht unter das Dach des organisierten Sports passt.

Nur mit einer Anerkennung könnten sich aber auch im Amateurbereich neue Vereine gründen – denn solange der Wettkampf vorm Bildschirm nicht offiziell als Sport deklariert wird, besitzt dieser nicht den Status der Gemeinnützigkeit. Auch bestehende Klubs würden davon profitieren und könnten eigene E-Sport-Sparten bilden.

Massenphänomen E-Sport

Ganz egal, ob Sport oder kein Sport – der E-Sport steckt schon lange nicht mehr in der Nische für Nerds, sondern ist ein Massenphänomen mit immer weiter steigenden Zuschauerzahlen geworden (Grafik):

Rund 490 Millionen Menschen schauten im Jahr 2021 E-Sport-Veranstaltungen – das waren knapp 6 Prozent der Weltbevölkerung.

Zahl der Menschen, die weltweit E-Sport schauten, in Millionen

Während im Jahr 2019 weltweit 197 Millionen Menschen mehrmals pro Monat professionellen Gamern beim Zocken zusahen, waren es im vergangenen Jahr schon 240 Millionen – ein Plus von rund einem Fünftel. Die Zahl der gelegentlichen Zuschauer stieg im gleichen Zeitraum um fast ein Viertel. Allein auf Twitch, der größten Livestreaming-Plattform für Games, schauten die Fans 2021 insgesamt fast 20 Milliarden Stunden E-Sport.

Mit dem zunehmenden Interesse steigen auch die Umsätze der Branche (Grafik):

Im Jahr 2021 betrug der weltweite Umsatz im E-Sport-Markt rund 1,1 Milliarden Dollar. Das waren gut 140 Millionen mehr als 2020.

Weltweiter Umsatz im E-Sport-Markt in Millionen Dollar

Laut Prognosen könnte der Umsatz in diesem Jahr auf nahezu 1,4 Milliarden Dollar klettern. Dann hätte er sich seit 2018 fast verdoppelt. Allein 42 Prozent des Umsatzes werden in Asien erzielt, auf Europa und Nordamerika entfällt jeweils ein Viertel.

Das mit Abstand meiste Geld im E-Sport-Markt fließt durch Sponsoren- und Werbegelder, sie vereinten 2021 rund 60 Prozent des weltweiten Umsatzes auf sich. Der Verkauf der Medien- und Übertragungsrechte war mit 15 Prozent Anteil die zweitgrößte Einnahmequelle. In der Branche gängig ist zudem, dass Spielehersteller Geld an Unternehmen zahlen, damit diese Turniere ausrichten. Die Einnahmen daraus summierten sich auf rund ein Zehntel des Gesamtumsatzes. Die Verkäufe von Tickets für Live-Events und Merchandise-Artikeln machen dagegen bislang nur einen kleinen Prozentsatz aller Einnahmen aus.

Der E-Sport boomt: 2021 betrug der weltweite Umsatz rund 1,1 Milliarden Dollar. Gut 490 Millionen Menschen schauten sich digitale Wettkämpfe an, bei denen es um bis zu 40 Millionen Dollar Preisgeld ging.

Neben dem Umsatz schießen auch die Preisgelder in die Höhe. Bei großen Turnieren in den beliebtesten Spielen liegen die ausgezahlten Summen mittlerweile regelmäßig im siebenstelligen Bereich. Im bislang höchstdotierten E-Sport-Wettbewerb der Welt, dem Dota-2-Turnier „The International 2021“, ging es für die Spieler um ein Gesamtpreisgeld von rund 40 Millionen Dollar.

Grenzen zwischen traditionellem und E-Sport verschwimmen

Bei solchen Summen hält das Klischee des Gamers, der in seinem verdunkelten Zimmer vor dem Computer hockt und sich von Chips und Cola ernährt, der Realität längst nicht mehr stand. Ernährungsberatung, Leistungsdiagnostik, Fitness- und Athletiktraining sowie sportpsychologische Betreuung gehören nicht mehr nur zum Alltag von Leistungssportlern, sondern auch zu dem von professionellen Gamern.

Ein Beispiel, wie die Grenzen zwischen traditionellem und E-Sport zunehmend verschwimmen, liefert der Profifußball. So verankerte die Deutsche Fußball Liga im Sommer dieses Jahres die Virtual Bundesliga (VBL), einen Online-Spielmodus der Fußballsimulation FIFA, als weiteren Wettbewerb in ihren offiziellen Liga-Statuten.

Demnach gehört es ab der Saison 2023/24 für alle Erst- und Zweitligisten zur Lizenzierungsordnung, ein eigenes E-Sport-Team in der VBL zu stellen, um virtuell gegeneinander antreten zu können. Darüber hinaus müssen die Vereine eine hauptamtlich beschäftigte Person mit E-Sports-Verantwortung benennen und eine Hauptspielstätte mit der erforderlichen technischen Ausstattung betreiben.

Unabhängig von der Vorschrift erfüllten in der abgelaufenen Saison bereits 26 der 36 Erst- und Zweitligisten diese Anforderungen. Auch über den Betrieb von FIFA-Teams hinaus nutzen Klubs den E-Sport für ihr Marketing und als potenzielle zusätzliche Einnahmequelle. So verkaufte der finanziell angeschlagene FC Schalke 04 im vergangenen Jahr nach dem Abstieg aus der Ersten Bundesliga seinen Startplatz in der europäischen E-Sport-Profiliga für das Spiel „League of Legends“ für 26,5 Millionen Euro.

Gemeinnützigkeit des E-Sports im Koalitionsvertrag

Der E-Sport ist im Profifußball also mittlerweile fest verankert. Im Amateurbereich müssen Vereine weiter darauf warten, dass der digitale Wettkampf als offizieller Sport anerkannt wird. Hoffnungen macht ihnen der Koalitionsvertrag: Darin haben SPD, Grüne und FDP festgeschrieben, E-Sport gemeinnützig machen zu wollen.





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