Spielen Sie gerne „Fifa 13“? Vermutlich schon. Etwa 14,5 Millionen Spieler bolzen inzwischen das Mattscheiben-Leder. Mögen Sie nicht? Wie sieht’s mit „Diablo 3“ aus, ist das eher Ihr Ding? Bestimmt haben Sie schon mal von den zehn Millionen Höllenfürsten gehört, die sich durchs Inferno brennen. Wenn das auch nichts für Sie ist, sind Sie wohl der Typ Großkaliber und pulvern mit „Call of Duty“. In „Modern Warfare 3“ tummeln sich circa sieben Millionen Freizeit-Soldaten. Stolze Zahlen. Die drei Titel gehören zu den meistverkauften Videospielen. Im Vergleich zu „“ („Defense of the Ancient“) sind das aber bloß Zwerge. 30 Millionen aktive Gamer zählt das Echtzeit-Strategiespiel, 300.000 zocken es tagtäglich zur selben Zeit. „DotA 2“ ist der meistgespielte PC-Titel der Welt – und womöglich der schwerste.
Totgeburt
Am Anfang war der Noob. Der Nichtskönner. Der, der bei seinen ersten „DotA 2“-Gehversuchen durchdreht. Immer wieder stirbt, auf die Tastatur schlägt. Pausenlos von vorne anfängt, naiv über die Karte pilgert, plötzlich erstarrt und schon wieder tot ist. Dieses Los ziehen alle „DotA 2“-Neulinge. Bitter. Wie kann ein solcher Frustgarant aus einer Nische kommend die Masse erobern, als böte er entspanntes Feierabend-Programm?
Q, W, E und manchmal auch R
Vielleicht, weil sein Spielprinzip harmlos wie ein Sonntagsspaziergang klingt: Zwei Parteien (Radiant und Dire) kämpfen auf ausschließlich einer Karte um die Vorherrschaft. Ziel ist es, die Wachtürme des Gegners zu pulverisieren und die gegnerische Basis zu zerstören. Dorthin führen drei Routen, „Lanes“ genannt. Dabei hilft Ihnen die computergesteuerte „Creep“ – das sind schwache Einheiten, die automatisch und ohne Unterlass in kleinen Grüppchen den Feind attackieren. Das Rückgrat jedes Teams bilden fünf Helden – einen davon steuern Sie für das gesamte Match. Vor jeder Partie durchwühlen Sie einen Katalog aus den 102 Matadoren und picken sich einen heraus. Sie alle beherrschen vier individuelle Manöver, die Sie dem Widersacher entgegenschmettern. Sie aktivieren sie mit den Tasten Q, W und E, das mächtigste Talent etwas seltener auf R.
Stirbt Ihr Held, wacht dieser nach einer Strafzeit in der Basis wieder auf. Zehn Spieler, jeder mit vier Talenten. Das sind 40 verschiedene Strategien, die die Helden auf dem Schlachtfeld entfalten. Damit aber nicht genug: Die Heroen kaufen im heimischen Stützpunkt Rüstung, Heiltränke und Waffen und steigern damit ihre Leistung. Klingt simpel. Nur scheint die Anzahl an Items der Spielerzahl von „DotA 2“ Konkurrenz machen zu wollen – in Ihr Inventar passen indes lediglich sechs Gegenstände. Welche Boni bringen Sie also wirklich weiter? So mancher Held segnete beim Grübeln kurzerhand das Zeitliche.
Magere Schonfrist
Und das ist nur eines von vielen Rätseln. Um diesen Berg von Fragezeichen zu erklimmen, schmeißt Ihnen Entwickler Valve ein paar dünne Seile herab: Ein sechsstufiges Tutorial lehrt den Spieljargon („LastHit“, „Kiting“, „Deny“) und erläutert die Grundlagen zu Talenten, Kurieren, Abwehrtürmen oder Teleportation. Danach stehen Probematches auf dem Programm, in denen Sie spezifische Kampfmanöver üben. Valves Mutterschutz ist hilfreich und für Neueinsteiger Pflichtprogramm. Ebenso lohnt ein Blick auf die unzähligen Let’s-Play-Videos der lebendigen Community. Aber keine falsche Hoffnung: Am Ende bleibt das Wasser eiskalt, in das Sie bei Ihren ersten Multiplayer-Partien stürzen.
Worauf kommt es an? „DotA 2“ ist ein Multitasking-Monster. Noch während Sie „You are Ganker, push mid-lane“ übersetzen, halten Sie das Schlachtfeld im linken Auge, das rechte weiß um den angehäuften Goldvorrat und schielt schon auf potenzielle Items aus dem Shop. Kommt dann ein feindlicher Held um die Ecke, steigt Ihr Adrenalinpegel wie die Erfahrungspunkte von Pro-Gamern in öffentlichen Partien: schlagartig. Ohne Flexibilität und fundiertes Wissen um die Schwächen der Gegner haben Sie schlechte Karten. Ein Beispiel: Mit dem „Bloodseeker“, einem agilen Nahkampfhelden, begeben Sie sich auf Creep-Jagd, statten ihn dazu mit Mana-Regeneration aus und sammeln rasch Erfahrungspunkte. Dann hören Sie einen kurzen Donnerschlag – und sind tot. Zeus, ein reiner Mana-Assassine, hat Sie mit geballter Magiekraft umgebracht. Finden Sie das Gegenrezept? Mit dem „Lifestealer“ entgehen Sie dem Dilemma, indem Sie verstärkt Ihr primäres Talent („Rage“) optimieren – es macht Ihren Helden vorübergehend immun gegen Zauberattacken. Statten Sie ihn noch mit Magieresistenz-Items aus, war Zeus die längste Zeit auf dem Olymp.
Teamwork ist alles
Kennen Sie Ihren Recken, gilt es, die Herrschaften aus dem eigenen Team zu beschnuppern. Am effektivsten prügeln Sie sich gemeinsam durch die Karte. Hier kommt es vor allem auf die Bündelung der unterschiedlichen Angriffe an, was präzises Timing verlangt. In der Hektik auf dem Schlachtfeld Ruhe bewahren – das ist die Kunst in „DotA 2“. Zum Glück beweist Valve ein Händchen für die optimale Balance, was bei 102 Helden keine einfache Aufgabe ist. So bietet „DotA 2“ bei aller Härte stets einen fairen Schlagabtausch.
Begründer eines Genres
Das schätzt auch die eSport-Szene. Der Valve-Titel gehört inzwischen zu den Stammspielen prestigeträchtiger Turniere wie „The International“, wo das beste „DotA 2“-Team (Team „Alliance“ aus Schweden) kürzlich 1,4 Millionen US-Dollar absahnte. Schwer vorstellbar, dass der Vorgänger als eine Modifikation von „Warcraft 3“ in die PC-Gamingwelt purzelte. Schnell war die Mod ein Hit und begründete im Vorbeigehen ein eigenes Genre: die Multiplayer Online Battle Arena, kurz MOBA. Ein erstaunliches Spielgenre. Kaum ein Titel fasziniert ob seiner hohen Komplexität so sehr wie „DotA 2“ oder das artverwandte „League of Legends“. Mit Qualität zum Nulltarif: Beide Titel sind Free-to-Play, außer Lehrgeld blechen Sie keinen Cent.
Fazit – DotA 2
Unter Gamern ist man sich einig: „DotA 2“ ist ein Phänomen. Was Sie für dieses Gratis-Spektakel erhalten, ist strapaziös. Erfolge stellen sich oft erst nach Tagen ein. In Wahrheit aber fixt Sie „DotA“ schon bei Ihren ersten Ausrutschern an – es appelliert an Ihren Sportsgeist. Und wie beim echten Sport ist der Ton manchmal schroff – und aller Anfang schwer: Erst kommt der Frust, dann die Lust, dann die Sucht. Spielen Sie 50 Partien „DotA 2“, sterben 1.000 Tode und Sie erkennen das Massiv. Nach 100 Matches wähnen Sie sich vorm Gipfel und schauen doch nur in die Wolken. Und irgendwann, viele, viele Stunden später, ist Ihnen das alles schnurz. Dann sind Sie angekommen auf der bunten „DotA 2“-Kuppe. Es mag viele geben, denen das zu anstrengend ist. Ob Sie dazu gehören? Wenn Sie die Abseitsregel für kompliziert halten, sollten Sie jedenfalls besser bei „Fifa“ bleiben.
Testfazit
Profi
- Komplexität
- Hoher Motivationsgrad
- Kostenlos (Kein Pay-to-Win)
Gegen
- Für Anfänger sehr schwierig
- Hoher Zeitaufwand
Erscheinungstermin „DotA 2“: Juni 2013 für PC.