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FIFA-Weltmeister Umut Gültekin lässt sich im Leipziger Stadion feiern. © Red

Bei Pierre-Maurice Jung und Robin Sommer dreht sich (fast) alles um das runde Leder. Auch ihr neues Projekt. Die beiden Fußballer aus dem Kreis Büdingen gründen gerade einen eSports-Klub.

Auf dem grünen Rasen haben Pierre-Maurice Jung (27) und Robin Sommer (25) schon einiges erlebt. Beide verließen früh ihren Heimatverein, um höherklassig kicken zu können. Der in Altenstadt lebende Jung, der seine ersten Schritte im Trikot des SV Teutonia Staden machte, wurde als C-Jugendlicher Vize-Hessenmeister mit Darmstadt 98 und schnupperte im Trikot des FSV Frankfurt Junioren-Bundesliga-Luft. Im Seniorenbereich stieg er unter anderem mit den Sportfreunden Oberau in die Gruppenliga auf und sammelte beim Büdinger Kreisoberligisten KSV Eschenrod Erfahrungen als Spielertrainer. Aktuell läuft der Pass des selbstständigen Versicherungs- und Immobilienkaufmanns wieder auf Kreisoberligist Sportfreunde Oberau. »Aus gesundheitlichen Gründen kann ich aber leider nicht mehr spielen. Deshalb konzentriere ich mich in Zukunft auf meine Trainerlaufbahn«, erklärt der 27-Jährige.

Robin Sommer ist aktuell für seinen Heimatklub SV Phönix Düdelsheim in der Kreisoberliga Büdingen am Ball. Auch er hat als ehemaliger Spieler der Frankfurter Eintracht eine Junioren-Bundesliga-Vergangenheit. Mit der U19-Hessenauswahl gewann Sommer unter anderem den Heinz-Beringer-Pokal (entspricht der Süddeutschen Meisterschaft). Im Seniorenbereich spielte der Offensivspezialist schon für Viktoria Nidda, den SV Altwiedermus, FV Bad Vilbel und Kickers Offenbach in der Verbandsliga Süd.

Nun wollen beide abseits des Sportplatzes für Furore sorgen. Ihr sportliches Ziel: die größten Talente der Fußball-Simulation »FIFA« verpflichten und zu Deutschlands Konsolen-Könige machen. »Wir kennen uns seit unserer Kindheit, teilen die Begeisterung für Fußball und Spielekonsolen. Deshalb kam uns im September der Gedanke, einen eSports-Verein zu gründen. Wir wollen aus unserem Hobby etwas professionelles machen«, erklären Jung und Sommer unisono. Beide sehen sehr viel Zukunftspotenzial im eSports-Bereich. »Der Markt wird immer größer«, weiß Jung. Und das Ende der Fahnenstange scheint noch lange nicht erreicht (siehe Info-Kasten).

Die FIFA-Zocker lieben es, Mbappé, Messi, Salah und Co. mit ihrem Controller zu steuern. Eine sensationelle Grafik, die meisten virtuellen Kicker sehen ihrem Original fast schon unheimlich ähnlich, runden das Spielerlebnis an der PlayStation ab. Deshalb sitzen die Zocker oft 30 bis 40 Stunden wöchentlich vor den Bildschirmen, drücken die X- und die Kreis-Taste, um ihre Gegner an der Konsole zu bezwingen. »Andere interessieren sich wiederum für Shooter-Spiele wie Fortnite. Um diese Personengruppe wird sich in naher Zukunft mein Bruder Noel kümmern, der ebenfalls zu unserem Verein stößt«, berichtet Robin Sommer, der für das operative Geschäft verantwortlich zeichnet. Als Gründer von Pandemics eSports will er seine Marke erst regional und dann überregional bekannt machen. Und so wichtige Erfahrungen für sein späteres Berufsleben sammeln. Der Student möchte »Privatpersonen oder Firmen beraten, wie ihr nächster Business-Schritt aussehen könnte. »Es geht dabei um Blockchain-Technologie. digitale Entwicklung, die Gestaltung einer App und vieles mehr«, erklärt er.

Da scheint ein eigener eSports-Verein das beste Prestige-Objekt. Denn: Die Konsolen-Zocker wachsen mit den digitalen Medien auf. Kennen sich bestens mit den sozialen Medien aus, sind täglich auf den Plattformen Instagram, Twitter, Twitch und Co. aktiv. »Genau da sind wir mit Pandemics eSports vertreten, um auf uns aufmerksam zu machen. Jeder kann uns folgen und unterstützen«, sagt Sommer. Schließlich soll sein Verein schnell wachsen und so die gewünschte Reichweite für werbewillige Unternehmen bieten. Zwar wolle sich Pandemics eSports in erster Linie selbst finanzieren. »Aber natürlich sind wir offen für Partner. Und wenn sich unser Verein etabliert hat, geht es sicherlich auch irgendwann um finanzielle Dinge«, betont der 25-Jährige.

Ab 21. Januar geht’s um den Hessentitel

Den großen Vereinsboss lässt Robin Sommer nicht raushängen. Hierarchien seien von gestern. Sein Slogan lautet: Stärke deinen Kreis. »Wir wollen fleißig Mitglieder und Spieler sammeln. Jeder soll seine Stärken einbringen, dann können wir gemeinsam etwas erreichen. »

Jung, der zusammen mit Marco Filges für die Personalabteilung zuständig ist, sieht es genauso: »Einer, der oben drüber steht – das gibt es heute nicht mehr.« Für den 27-Jährigen zählt auch bei der Zusammenstellung seiner Mannschaft der Teamgedanke. Jung selbst zockt seit 2017 FIFA an der PlayStation. Und das sehr erfolgreich. 2021 gewann er den VR-Bank-Cup und wurde mit dem Team des JFV Oberau Vize-Hessenmeister. Neben Jung greifen fünf weitere Spieler für Pandemics eSports zum Controller. Dies sind Finn Schäfer (aktiv bei der SG Rorhbach/Aulendiebach), Louis Scholz (SV Phönix Düdelsheim), der früher für das eSportsteam des FSV Frankfurt aktiv war, Yassine Dahri (Rosenhöhe), Nico Stange (Viktoria Neuenhaßlau) und Cem Sahin. Der aus Baden-Württemberg stammende Sahin ist das Aushängeschild des Teams. Er spielte schon bei der Klub-Weltmeisterschaft, ist in der Zocker-Szene bekannt. Mit ihm will Pandemics eSports ab dem heutigen 21. Januar beim vom Hessichen Fußball-Verband organisierten eHessenpokal für Furore sorgen und die Hessenmeisterschaft gewinnen. Das Qualifikationsturnier steigt im Vereinsheim von Eintracht Oberursel, das große Finale am 11. Februar im Stadion-VIP-Bereich des SV Wehen Wiesbaden. »Beim Hessenpokal treten wir unter dem Namen Sportfreunde Oberau/Pandemics eSports an, weil ein offizieller Fußballverein in der Teambezeichnung vorhanden sein muss«, betont Jung, der sich mit seiner Mannschaft zudem für den eDFB-Pokal qualifizieren will und in der Einzelwertung auf das eine oder andere Ticket für die virtuelle Bundesliga hofft.

Um weitere gute FIFA-Spieler für Pandemics eSports gewinnen zu können, starten Sommer und Jung eine Kampagne in den sozialen Medien und organisieren ein deutschlandweites Scouting-Turnier. »Das wird online stattfinden, Der erste Preis ist ein Platz in unserem Team«, so Jung, der die besten Spieler Deutschlands bekommen möchte. Es gebe so viele Talente ohne Vertrag. Man müsse sie nur entdecken. »Und diese Talente müssen natürlich auf uns aufmerksam werden. Deshalb geht es in diesem Bereich darum, wie präsent du in den sozialen Medien bist, wie gut dein Netzwerk ist«, sagt Sommer.

Wie es funktionieren kann, zeigt Neo, eine der erfolgreichsten deutschen FIFA-eSports-Organisationen in ganz Europa. Weil private Streamer diesen Markt überhaupt erst erschlossen haben, sieht Sommer »private Klubs« wie Neo, SK Gaming und Co. bei der Verpflichtung von guten Spielern vor einem Fußball-Bundesligisten mit eSports-Abteilung. »Das hängt auch damit zusammen, dass eSportler in traditionellen Vereinen nicht der Star sind. eSports-Klubs sind explizit für eSportler da. Wenn man sich entscheiden soll, ob man zu den Protagonisten eines Vereins zählt oder eher Mitglied einer Abteilung ist, fällt die Entscheidung nicht schwer.«

Pandemics eSports will aber nicht nur in der virtuellen Welt für die Konsolen-Sportler da sein. »Wir wollen die virtuellen Turniere in die reale Welt bringen, offline vor Ort spielen. Am besten in einem Vereinsheim oder einer Halle, wo alle FIFA-Freunde zusammen spielen und sich austauschen können«, betont Jung, dem die soziale Komponente sehr wichtig ist. Denn: »Die Jungs und Mädels sollen nicht mehr daheim und alleine vor der Konsole hocken.«

Nicht nur zocken, auch Fußball spielen

Deshalb sucht Sommer, der sich gerade um den offiziellen Eintrag ins Vereinsregister kümmert, nach einem Büro und im nächsten Schritt nach einer Art Vereinsheim. Auch die Halle in Düdelsheim sei für die eine oder andere Großveranstaltung eine Option.

»Wir wollen auf Sicht mit den besten eSports-Vereinen mithalten und vielleicht auch durch unsere Vereinsgründung wieder den Breitensport Fußball auf dem grünen Rasen fördern«, so Jung.

Schließlich sind Sommer, Schäfer und Co. gute Beispiele dafür, dass FIFA-Zocker keine unsportlich wirkenden Computerfreaks mit ungesunder Hautfarbe sind. Sie sind jung, dynamisch. Sie lieben den Fußball nicht nur an der Konsole, sie kicken auch im echten Leben.

Strahlkraft eines Elias Nerlich

Welche Strahlkraft Menschen in dieser Branche haben können, zeigt der ehemalige eSportler Elias Nerlich, der den in der C-Liga spielenden Fußball-Klub Delay Sports Berlin gegründet hat. Der Verein hat auf Instagram mittlerweile über 450 000 Follower. Immer mehr Spieler aus höherklassigen Ligen bieten sich an – und zu den ersten Testspielen im Sommer kamen über 3000 Fans.

»Eine unglaubliche Story, die sich von uns nicht noch einmal schreiben lässt. Aber sie zeigt, was in diesen Bereichen alles möglich ist«, betont Jung abschließend.

Von Torben Frieborg

Weitere Infos unter: https://twitch.tv/pandemicesports und (Twitch) und https://instagram.com/pandemicsesports?igshid=YmMyMTA2M2Y= (Instagram)

Hintergrund: Ein Milliardengeschäft, das immer größer wird.

Voll besetzte Arenen, Millionen Fans, Rekordumsätze, professionell strukturierte Teams – eSports boomt. 2021 wurde erstmals die Rekordmarke von einer Milliarde US-Dollar Marktumsatz geknackt. Den Großteil machten dabei Sponsoring- sowie Werbedeals und der Verkauf von Medienrechten aus. Bis 2024 wird sogar ein Anstieg auf mehr als 1,6 Milliarden US-Dollar prognostiziert.

Laut einer Studie der Organisation PwC erreichte man in Deutschland einen Umsatz von 113,2 Millionen Euro. Das bedeutet Platz vier hinten den führenden Nationen China, USA und Südkorea.

Einer der bekanntesten eSportler kommt sogar aus Deutschland. Kuro »KuroKy« Salehi Takhasomi gewann im Sommer 2017 mit seinem Team das damals höchstdotierte Turnier der Szene. Im kämpferischen Online-Strategiespiel Defense of the Ancients 2 war das Team des Berliners vor 17 000 Fans in der Key-Areana in Seattle und fünf Millionen Online-Zuschauern nicht zu schlagen. Takhasomi und seine Kollegen steuerten die digitalen Fabelwesen am besten und kassierten 10,8 Millionen Dollar Preisgeld.

Takhasomis hat mittlerweile über fünf Millionen Dollar Preisgeld eingesammelt, ist damit die Nummer sechs weltweit.

Als Land des Fußballs hat Deutschland seine Stärken aber vor allem im digitalen Fußball. Fast jeder Bundesliga-Verein hat deshalb heute seine eigene eFootball-Abteilung. Zudem gibt es viele erfolgreiche eSports-Klubs. Und der Weltmeister kommt auch aus Deutschland. Umut Gültekin setzte sich im Endspiel des FIFA eWorld Cups 2022 in Kopenhagen mit 5:4 (0:0, 0:0) nach Elfmeterschießen gegen Nicolas »Nicolas99FC« Villalba aus Argentinien durch.

Gültekin, der beim Fußball-Bundesligisten RB Leipzig unter Vertrag steht, sicherte sich damit ein Preisgeld von 250 000 US-Dollar. Der Hamburger folgt mit dem Titelgewinn auf seinen Landsmann Mohammed »MoAuba« Harkous, der sich 2019 als erster Deutscher zum Champion gekrönt hatte.

Fakt ist: Gaming und eSports ist mittlerweile vollkommen in der deutschen Gesellschaft angekommen und gehört zu den Trends des 21. Jahrhunderts. Millionen zocken mittlerweile verschiedenste Spiele im Wettkampfmodus an den Konsolen. Neben dem wachsenden Breitensport gibt es in Deutschland zu einer gewissen Menge auch Spieler, die vom Zocken leben können, die sogenannten Leistungssportler. »Experten schätzen hier eine mittlere dreistellige Anzahl an eSports-Profis, die mit ihrer Tätigkeit zumindest einen relevanten Teil ihres Lebensunterhalts bestreiten können«, teilte der eSport-Bund Deutschland bereits 2018 mit. Mittlerweile hat Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit bereits die Marke von 1000 eSports-Profis geknackt. TFR





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