Technologiekonzerne und Fahrzeughersteller zeigen ihre Ideen zum Auto der Zukunft. Im Bereich der Software stehen sie sogar im Wettstreit miteinander.
Die Bühne im Messezentrum in Las Vegas ist abgedunkelt. Dann flackern plötzlich zwei Scheinwerfer auf. Wenig später rollt auf der Technologie-Leitmesse Consumer Electronics Show (CES) ein Gefährt auf das Publikum zu. Afeela nennt Sony den Prototyp, mit dem der japanische Tech-Konzern in die Automobilbranche einsteigen will.
«Das ist nur der Anfang», kündigte Yasuhide Mizuno am Mittwoch an. Er leitet das Gemeinschaftsunternehmen von Sony und dem Autobauer Honda. Gemeinsam wollen die Unternehmen ein selbstfahrendes Elektroauto entwickeln. Im ersten Halbjahr 2025 sollen Vorbestellungen möglich sein, die ersten Wagen sollen im Frühjahr 2026 ausgeliefert werden.
Für das ambitionierte Projekt haben sich Sony und Honda weitere Partner gesichert. Der Chipkonzern Qualcomm steuert die Halbleiter für die Fahrzeuge bei. Der Spieleentwickler Epic, der Titel wie «Fortnite» herausgebracht hat, soll für das Unterhaltungsangebot während der Fahrt sorgen.
Die Kooperation zwischen dem japanischen Technologiegiganten und dem Autohersteller ist ein Signal. Die Messe CES bestätigt: Die Tech-Konzerne drängen mit Macht in den Automobilsektor.
Aber gleichzeitig zeigt das vorgestellte Sony-Auto auch, dass es ohne Partnerschaften nicht geht. «Sony hat sich bewusst einen Partner aus der Autobranche an Bord geholt. Honda hat das Servicenetzwerk und die Markterfahrung, die Sony fehlen», sagt Stephan Durach, Entwicklungschef User Interface und User Experience der «Neuen Klasse», der kommenden Fahrzeuggeneration von BMW.
Komplexität der Automobil-Software unterschätzt
«Die Tech-Giganten haben den Automobilbereich in den Fokus genommen. Aber ihre vollmundigen Versprechen haben sich nicht realisiert», sagt er. So hätten die Tech-Konzerne sich lange lustig gemacht über den «Software-Zoo» der Autohersteller. «Inzwischen haben sie erkannt, wie komplex das Produkt Auto eigentlich ist.»
Mit grossem Hype gestartete neue Angebote wie Google Automotive Services hätten den Markt nicht überrollt, so Durach, sondern seien heute eine Lösung unter vielen. Das Apple Car aus Cupertino lasse weiter auf sich warten. Und selbst Tesla, das konsequent eigene Architekturen und schlanke Software-Lösungen aufgebaut habe, stosse an Grenzen.
«Macht es Sinn, alle Software im Haus zu entwickeln? Oder alles an Partner abzugeben?», fragt Durach. «Wichtig ist eine gute Mischung. Und: die Kundenschnittstelle nicht zu verlieren.» Beispiel BMW: Die Münchener integrieren künftig den App-Store von Faurecia. Aber: «Das Nutzerinterface entwickeln wir selbst», sagt Durach. «Das Auto muss immer nach BMW aussehen.»
Klar ist laut Durach, dass der Markt 2023 vor grossen Veränderungen steht: «Neue Automarken wachsen derzeit wie Pilze aus dem Boden.» Neue Hersteller treffen auf einen hart umkämpften Markt. Eine Automarke von Grund auf aufzubauen, könnten sich nur Tech-Player mit sehr tiefen Taschen leisten, sagt Durach. Und selbst dann drohe oft Ernüchterung: «Die Rendite im Autogeschäft ist längst nicht so einfach zu erwirtschaften, wie sich das einige im Silicon Valley vorstellen.»
Mittelfristig bleibt das autonome Fahren eine Chance
Ein wichtiges Zukunftsthema ist das autonome Fahren. 2022 war ein Jahr des Umbruchs. Mit der Schliessung von Argo AI durch Ford und VW wurde ein wichtiger Spieler beerdigt. Ford will seine Entwicklungsanstrengungen in dieser Dekade auf Fahrerassistenzsysteme (Level 2 und Level 3 genannt) konzentrieren, nicht auf vollautonome Autos (Level 4 und 5).
Viele grosse Autohersteller sind ernüchtert, dass die Entwicklung so langsam geht. Abschreiben möchte das Thema auf der CES aber kein Spieler. «Die Entwicklungen verschlingen viel Geld, das zum Beispiel Ford lieber in den Umbau zur E-Mobilität investieren will», erklärt der Guidehouse-Chefanalyst Sam Abuelsamid. «Aber die Technologie bietet für den, der sie meistert, ein grosses Umsatzpotenzial.»
So geht etwa das Beratungsunternehmen McKinsey davon aus, dass die Weiterentwicklung von fortgeschrittenen Fahrassistenzsystemen bis hin zum autonomen Fahren künftig «eine bedeutende Umsatzquelle für die Automobilindustrie» darstellt. Der Markt werde jährlich mit 15 bis 20 Prozent wachsen, von heute rund 50 Milliarden Dollar auf 300 bis 400 Milliarden Dollar im Jahr 2035. «Der grösste Teil des Umsatzes entfällt auf Level-4-Funktionen, also das fahrerlose Fahren unter bestimmten Bedingungen», so McKinsey.
Unter den deutschen Herstellern ist Mercedes-Benz besonders weit. Schon in den kommenden Wochen rechnen die Stuttgarter im ersten amerikanischen Gliedstaat mit der Zulassung ihres Autopiloten auf Level 3, der in der S-Klasse Fahrern auf dem Highway ermöglicht, während der Fahrt legal Videos zu schauen oder E-Mails zu bearbeiten. Mercedes wäre damit der erste europäische Anbieter, der eine Zulassung in den USA erhält.
«Das autonome Fahren kommt», sagt der Bosch-Nordamerikachef Mike Mansuetti. Der Schwerpunkt liege aber in diesem Jahrzehnt auf der Fahrerassistenz und auf Komfort- und Sicherheitsverbesserungen, für die die Kunden auch bezahlen wollten.
Auch ZF aus Friedrichshafen und der amerikanische Anbieter Beep stellen an der CES die neue Generation ihres Shuttlebusses vor. Die elektrischen Kleinbusse sollen künftig vor allem im Nahverkehr und in abgegrenzten Gebieten, etwa in Nationalparks, zum Einsatz kommen. Beep setzt bis anhin auf Fahrzeuge von Benteler. Künftig wolle man auch auf die ZF-Busse setzen, erklärt der Beep-Chef Joe Moye.
Die Shuttles bieten Platz für bis zu 22 Personen und fahren zunächst mit 40, nach einem weiteren Entwicklungsschritt mit 80 km/h. Ausgestattet sind die Busse mit modernster Sensortechnik, bestehend aus Lidar-, Radar-, Kamera- und Geräuscherkennungssystemen. Der «Virtual Driver» – die autonome Fahr-Software von ZF – verarbeitet die Informationen.
Der neue Kleinbus ergänzt das bereits etablierte autonome Shuttle von ZF, das vor allem auf abgetrennten Fahrspuren zum Einsatz kommt. «Das neue Modell wird vor allem im urbanen Umfeld und im Mischverkehr eingesetzt», erklärt Torsten Gollewski, Leiter autonomes Fahren bei ZF.
E-Mobilität macht das Rennen
Erledigt scheint auf der CES die Frage nach der Antriebsart der Zukunft – diese ist dort ausschliesslich batterieelektrisch. Hybridautos spielen in Las Vegas keine Rolle mehr. Volkswagen stellt in einem eigenen Pavillon etwa seinen neuen ID.7 vor, den vollelektrischen Nachfolger des Passats. Noch ist er grossflächig mit Folie beklebt, erst im Frühjahr soll das finale Design präsentiert werden. Aber das Auto erscheint gefällig gestaltet.
Einen Startpreis will der VW-Markenchef Thomas Schäfer nicht nennen, er betont im Gespräch aber die grosse Reichweite. «Mit bis zu 700 Kilometern ist der ID.7 ideal etwa für Geschäftsreisende oder Familien.» Der Verkauf des in Emden und China produzierten Fahrzeugs soll in der Volksrepublik im Sommer starten, in Europa im Herbst, in den USA Anfang 2024.
Zudem bereite man den Bau kleiner Elektrofahrzeuge in Spanien vor, so Schäfer. Die Namen stehen noch nicht fest. Der Klassiker Golf wiederum solle nicht auslaufen. «Wie es mit unserem VW Golf weitergeht, müssen wir erst nach 2025 entscheiden. Klar ist: Wir werden diese Ikone in die elektrische Welt überführen – spätestens Anfang der 2030er Jahre», erklärt Schäfer.
Einen Weg zurück gebe es nicht: «Die Zukunft ist elektrisch.» Und das verschobene Zukunftsauto Trinity? «Die Entwicklung von Trinity wird weiter vorangetrieben.» 2028 könnte der vollelektrische VW-Hoffnungsträger dann erscheinen. Die Luxusstrategie der Konkurrenten von Mercedes-Benz und BMW ist laut Schäfer für VW eine Chance, denn Volkswagen werde weiterhin Produkte für jeden Geldbeutel anbieten.
Die Bedeutung der CES für die Autobranche sei in diesem Jahr weiter gewachsen. «Es ist wichtig für uns, hier zu sein», sagt der VW-Markenchef. «Die CES ist als Tech-Messe die Leitmesse der Zukunft.»